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Auf Marco Polos Spuren

 

Marco Polos "Die Beschreibung der Welt" inspiriert seit Jahrhunderten Entdecker und Abenteurer. Auch Axel Brümmer und Peter Glöckner ließen sich von den Reisebeschreibungen des Venezianers faszinieren. Selbst nach ihrer fünf Jahre dauernden Weltumradlung über 80.000 Kilometer ist ihr Fernweh noch immer nicht gestillt. Mit den Jahren reifte der Gedanke, den Spuren Marco Polos von Venedig nach Peking per Rad zu folgen . . .

 

Das Reisetagebuch der Marco Polo Reise

Hier lesen Sie die Original-Reiseberichte, die Axel und Peter damals während ihrer aufsehenerregenden Tour veröffentlichten:

Die ersten 1.000 Kilometer . . .

Die ersten tausend Kilometer der Marco-Polo-Tour liegen hinter Axel Brümmer und Peter Glöckner, als Venedig vor ihnen auftaucht. Diese Strecke mit kurzem Stopp im Hofer Fernwehpark (siehe Foto) brauchten die Weltumradler zum "Aufwärmen": Axels Hintern tut nicht mehr weh, und hundert Kilometer sind nun als Tagesziel Ehrensache. Morgenstimmung bei klirrender Kälte Endlich wieder Schlafen unter freiem Himmel - da stört es auch nicht, wenn am Morgen Schnee und Eis auf den Schlafsäcken liegen. Ärgerlich war nur die Nacht, als das Wetter umschlug und das Tauwasser alles bis auf die Unterhosen durchnässte.

 

Doch was ist das schon gegen den Blick von den Bergen hinab in das von Morgennebeln durchzogene Tal! Axel und Peter testen die Kameras in diesem unwirklichen Licht. Auch die Räder werden geprüft, wie sie "reagieren", ob die Taschen richtig gepackt sind. Bereits in Deutschland erregen die "Packesel" im Winter Aufmerksamkeit. Eine Bäckersfrau im Bayerischen erkundigt sich nach dem Reiseziel. "Peking", sagt Axel. Sie denkt wohl, sich verhört zu haben, denn sie fragt vorsichtshalber, woher sie kämen. "Aus Saalfeld." "Oh", staunt sie, " von so weit her!" Das Reiseziel glaubt sie wahrscheinlich bis heute nicht.

 

Und die beiden Weltumradler? Ihnen geht ihre Tour vor elf Jahren, ihre große Fahrt, durch den Kopf. Nicht nur, als sie über den Brennerpass fahren, den sie damals, die Wege meidend, durch die wilde Natur querten. Sie wollten beweisen, dass ihre DDR-Tourenräder mit den Wessi-Mountainbikes mithalten können. Und was wollen sie heute beweisen? Dass ihr früheres Traumziel China doch nicht die Enttäuschung ihres Lebens bleibt, dass sich Europäer und Asiaten trotz unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Sprache verstehen können? Eine Denkschrift, die sie dabei haben, will dies vermitteln, und doch sind ihre Gedanken in der näheren Zukunft. In Israel, ihrem ersten außereuropäischen Reiseziel, ist nach der Wahl Sharons und den irakischen Bombardements alles anders, als noch vor wenigen Tagen. Werden sie von dort in die arabischen Staaten kommen?

 

Im Hotelzimmer von Venedig (manchmal müssen sich auch Weltumrader duschen!) werden Karten gewälzt und Fahrtrouten geändert. Noch kann dem Büro mitgeteilt werden, dass andere Visa benötigt werden. Draußen tobt der venezianische Karneval. Das tägliche Brot . . . Axel und Peter drängen sich durch das Gewühl zum Geburtshaus von Marco Polo. Sie essen die letzten Reste eines Verpflegungspakets, das ihnen unterwegs mitgegeben wurde. Eigentlich wollte der ältere italienische Herr vor Begeisterung mitfahren, aber Weißbrot, Würste, Tomaten und Wein waren den beiden Jungs letzlich doch lieber. Dann geht's zur Fähre: durch die Adria nach Griechenland, ein Stück per Rad, dann wieder auf der Fähre via Zypern nach Israel.

Lebenszeichen 2 Schalom oder Salam!

Jetzt der 2. Versuch, Euch ein Mail zukommen zu lassen.

Sind von Venedig per Fähre nach Griechenland, wo wir nicht nur die Fähre sondern auch den Fährhafen wechseln mussten. Natürlich war es dann doch eins. Die durchgehenden Schnellzüge nehmen keine Räder mit und der einzige andere Zug ging auf halber Strecke kaputt. Mit viel Geschrei und Geschiebe und der Ignoranz sämtlicher uniformierter Leute, die was dagegen hatten, schafften wir es dann doch die Räder in so meinen Schnellzug zu packen und errreichten die Fähre nach Zypern gerande noch rechtzeitig. Auf Zypern war gerade absolut nichts los, so dass auch viele Touristen dort abhauen wollten und deshalb unsere Fähre nun einen Umweg über Aegypten machten.

 

Der Anschluss an die Touristen brachte uns einen Busausflug zu den Pyramiden und die Einsicht, so etwas nie wieder zu machen. Bitte beeilen sie sich. Wir wollen weiter! Im Gegensatz zu der uns gegoennten halben Stunde bei den Pyramieden durften wir fast 2 in einem Souvenierladen bleiben! Egal. Jetzt sind wir nach einem ausfürhrlichen Sicherheitscheck, der ueber 4 Stunden dauerte, in Israel gelandet. Die Tante von der Einreise erinnerte sich noch an uns, dass wir schon einmal mit den Rädern da waren, keinen Einreisestempel haben wollten (kann Probleme bei anderen arabischen Laendern bereiten) und wusste sogar noch wie wir weiterfahren wollten! Hätte ich nie gedacht. Immerhin ist das schon 11 Jahre her! Hatten wir uns damals so unmöglich benommen, dass man sich heute noch immer an uns erinnern muss? Jetzt sind wir jedenfalls in Tel Aviv und machen uns Gedanken, wie wir nun weiterfahren wollen.

Ich versuche Euch auf dem Laufenden zu halten, kann aber nichts versprechen. Vielleicht hört Ihr auch mal 2 Monate nichts.

 

Also bis dann alles Beste Glocke

Originalauszug aus dem Tagebuch vom 09.03.2001

"Wie bekannnt, war alles noch sehr konfus, als wir im Heiligen Land ankamen. Alles ging drunter und drüber. Letztendlich konnten wir uns nur einen Tag in der wohl umstrittensten Stadt der Welt aufhalten. Die Klagemauer ist abgeschirmt und bewacht wie ein Flughafen, der Felsendom ist für nichtmoslemische Besucher jetzt völlig gesperrt und die Heilige Grabkirche wird von Touristen in Shorts bevölkert, die sich in Siegerpose darin ablichten lassen. Bei einem nächtlichen Rundgang fielen kurz hinter uns mitten in der Stadt fünf Schüsse, doch niemand interessierte das sonderlich.

Jedenfalls konnten wir dort nicht lange beiben, da wir schon am nächsten Tag einen Flieger kriegen mussten, der uns über die geschlossene Grenze nach Jordanien bringen würde. Die Ausreise währe wohl ähnlich erwähnenswert verlaufen, wenn die Zeit für einen genauen Check nicht durch den Abflug des Fliegers begrenzt gewesen währe.

Egal. Jedenfalls landeten wir in Jordanien, wo wir auch nicht hinwollten, aber nun war der Weg nach Norden frei und wir hatten nichts eiligeres zu tun als nach Syrien/Damaskus zu radeln. Dort suchten wir den hiesigen Leicavertreter auf und unternahmen mit ihm alles mögliche. Ausflüge zu spektakulären Ruinenstätten mitten in der Wüste oder zu nicht weniger spektakulären Kreuzritterfestungen. Abends dann (zu Axels Geburtstag) ein Besuch in einem traditionellem Restaurant so richtig mit Fressorgie (Axel möchte abnehmen), Musikgruppe und Wasserpfeife. Klingt vielleicht nicht sonderlich orginell, wars aber!

Dann gings weiter nach Libanon. Dort radelten wir über den Antilibanon und schliesslich den Libanon hinauf. Oben lag noch teilweise Schnee und wir beschlossen, dort zu schlafen um den Sonnenaufgang zu erleben. Bei der Schlafplatzsuche die ich allein machte, hörte ich auf einmal, wie jemand unmittelbar vor mir, mitten in der totalen Finsterniss ein Gewehr durchlud. Mir war gar nicht wohl, wollte ich doch nicht als versehendliches Jagdwild enden. Also hüstelte ich vor mich hin und machte meine Stirnlampe an. Auf einmal wieder ein Durchladen und dann schrie mich jemand auf arabisch an. Leider konnte ich ihn weder verstehen noch begreiflich machen, dass ich ja nur so ein harmloser Tourist bin. Jedenfalls wurde mein Gegenüber unglaublich hysterisch und schliesslich schlugen Kugeln neben mir ein. Wegrennen oder in Deckung schmeissen war nicht, also blieb ich schön brav stehen und leuchtete weiter auf mich selbst, damit jeder sehen konnte, dass ich unbewaffnet war. Vielleicht rettete mich das. Auf jeden Fall war mein Gegenüber fürchterlich nervös, was ich aber auch von mir behaupten konnte. Er schrie um Hilfe nach irgendwelchen anderen Leuten, aber die kamen ewig nicht, was natürlich auch nicht gerade zur Entschärfung der Situation beitrug. Aber nach einiger Zeit und nach etlichen weiteren Schüssen, die neben mir einschlugen, kam dann doch Verstärkung, die mich auch gleich fest nahm. Ganz wohl fühlte ich mich dabei aber nicht, da es sich bei diesen Truppenteilen offensichtlich nicht um libanisiche Armee handelte. Jedenfalls wurde ich zu deren Chef gebracht und dort konnte ich dann die Situation entschärfen, da er auch etwas englisch sprach.

Gemeinsam gingen wir dann zu der Stelle wo Axel gewartet hatte, aber dort waren nur noch die Räder. Offensichtlich hatte Axel sich zur Strasse begeben, wo libaesische Polizei stationiert war. Dort fühlte er sich sicherer, da auch hinter ihm hergeschossen wurde. Jedenfalls klärte sich die Situation nun so allmählich wieder und wir hätten fast schlafen gehen können, wenn nicht noch Protokolle aufgenommen werden müssten. Zu guter Letzt kam noch ein General(!!!!) aus Beirut, der natürlich auch alles ganz genau wissen wollte. Na ja. Dann konnten wir doch noch schlafen und nun sind wir in Beirut. Das war jetzt nur die absolute Kurzversion der Geschichte. Wenn ich das jetzt so lese, klingt das alles viel harmloser als es war. Ich hatte so richtigen Schiss!

 

Und von Schiss möchte ich dann Gleich überleiten zu Tschüss!

Grusse P. Glocke"

Original-Mail aus einem türkischen Internetcafe vom 29.03.2001

. . . und damit wohl bis Teheran erst mal die letzte.

Also: ich sitze gerade in Erzurum (Türkei) in einem total verqualmten Internetcafe (wo schon draußen die Werbung extra darauf hinwies, dass es für Männer UND Frauen offen ist (was in so einer stark islamisch geprägten Gesellschaft nicht unbedingt selbstverständlich ist) und habe es nach einer halben Stunde endlich geschafft, den Rechner dazu zu kriegen, dass er mir gestattet endlich mal ein mail zu schreiben. Aber da müsst ihr euch beim lesen dran gewöhnen. Tee vorm CafeNach dem letzten Lebenszeichen gab es ein paar verunsicherte mails, aber ich kann euch beruhigen - bis jetzt ging alles gut. Keine weiteren Schüsse, weder im Libanon, in Syrien noch hier in der Türkei (oder sollte ich Kurdistan sagen?). Allerdings ist hier die Lage wieder merklich angespannt. Sehr viel Militär, ab und zu zerschossene Gebäude und immer wieder befestigte Straßenposten, teilweise mit eingegrabenem Panzer. Nach einigem hoch und runter sind wir jetzt nur noch ober, d.h. recht kalte Temperaturen, schneidender Wind und eine trockene, zumindest jetzt im Winter trostlos wirkende Landschaft. Schneefelder sind auch nicht selten. Wir haben was gelernt: nie wieder einen Schlafplatz im dunkeln aufsuchen! Daran halten wir uns jetzt immer. Und einfach draußen weitab von Leuten nur schlafen, wenn es nicht anders geht und wir uns absolut sicher sein können, dass uns niemand sieht, wenn wir den Schlafplatz aussuchen. Ist so zwar nicht immer leicht einen schönen Schlafplatz zu finden, aber es ist sicherer. Nochmal TeepauseDie Leute sind nicht mehr ganz so offen wie noch unten an der Küste. Haben sich wohl dem Klima (vielleicht auch dem politischen) angepasst. Bin gespannt, wie das in der Beziehung weitergeht, wenn wir in den Iran kommen.

 

Aber nette, hilfsbereite Leute findet man überall. Irgendwann wird, wenn es absolut nicht weitergeht, jemand geholt der Deutsch spricht: "Ich waren 5 Jahre in Deutschland, in ...!" Zumindest dann bekommt man irgendwie die Auskunft, wo das nächste Internetcafe ist oder wie weit es bis zum nächsten Dorf ist. Zumindest in den Dorfern wird recht streng islamisch gelebt. Oft sieht man anstatt Frauen nur größere, unförmige Stoffberge, die die Strasse entlang laufen. Männer sitzen am Straßenrand, trinken Tee und schauen den Stoffbergen nicht hinterher. Das ist für uns ein bisschen ein Problem, da wir mit den Frauen praktisch nicht in Kontakt kommen. Kein Flirt am Wegesrand. Nicht mal so unverfängliche Anmachen wie "Wo geht's denn hier nach ...?" sind drin. Na, wird sich vielleicht meine Freundin freuen. Ich denke, dass wir so in 4 Tagen im Iran aufkreuzen

Originale Mail aus Teheran

Ja, wo sind wir denn hier? Es ist einfach unbegreiflich: Frauen lassen frech eine (illegale) Locke unter ihrem Kopftuch hervorschauen, blitzen mich mit ihren Mandelaugen an, als wenn sie mit mir eine (zumindest Für Schiiten legale) 15-minuetige Zeitehe eingehen wollen und rufen mir mitunter sogar ein ganz und gar unverschämtes "Hallo!" hinterher! Leise zwar, sie wollen ja nicht als Hure gelten oder die Sittenwächter auf den Plan rufen, aber ich hab's genau gehört! Wenn Khomenie das mitkriegen würde, er würde sich glatt in seinem Mausoleum umdrehen.

Der Muezin ruft (falls überhaupt) nur 3 statt 5 mal am Tag und wenn man ganz genau hinhört dringt aus Hinterhöfen und Autoradios auch mal von den Mullahs verbotene westliche Musik. Wo bleiben da die Revolutionswächter ?!? Vielleicht haben sie sich, wie der letzte Iman auch schon, in die "große Verbergung" zurückgezogen. Doch im Gegensatz zu ihnen wird auf den Iman gewartet.

Aber im Ernst: Das Land scheint mir weit offener und westlicher zu sein als so manche Ecke im türkischen Kurdistan. Und das Deutschlandzeichen an Axels Rad öffnet so manche Tür. Die Deutschen sind eben beliebt. Seit Noah mit seiner Arche auf dem eisigen Ararat nicht gleich erfroren ist, sondern samt seinen Tierscharen die Erde erneut bevölkerte, sind noch so manch andere Ausländer hier unverhofft eingetroffen. Und irgendwann zwischen Alexander dem Großen und den Flüchtlingen aus Afghanistan kam auch Marco Polo hier vorbeigelaufen.

Die Skepsis, welche die Regierenden solche Einflüsse aus dem Westen entgegen bringen, ist indes nicht weniger geworden. Satellitenfernseher, Bettenschlafen usw. ist schlicht verboten - es machen aber trotzdem viele. Außerdem möchte ich doch gar zu gerne wissen, welcher Mullah sich so geoutet hat und rausfand, daß die kernlosen Wassermelonen homosexuell machen! Ob er anschließend freiwillig in den Knast ging? Homosexualität ist selbstverständlich auch verboten. Sicher kann man bei vielen Verboten geteilter Meinung sein. Die Strafen für Vergehen sind aber meist recht hoch. Deswegen wunderten wir uns immer wieder, wie offen die Leute mit ihren Verfehlungen uns gegenüber umgingen. Als ein ehrbarer Familienvater (der schon 2 mal in Mekka war) Axels Geste falsch verstand, holte er statt eine Wasserpfeife seinen Kumpel ran, der eine spezielle Pfeife und einen riesigen Klumpen schwarzen Afghanen mitbrachte. Dann war er ganz erstaunt, als Axel ablehnte! Der lies sich lieber den (selbstverständlich nicht viel weniger verbotenen) Wodka schmecken! Dabei kann Axel sich nicht einfach mit einer Mekkareise "reinwaschen".

 

Was gibt es sonst noch? Nachdem das Wetter es ein paar mal total mit mir versaut hatte (wir waren total durchnäßt und durchfroren) versuchte es mich mit viel, viel Rückenwind zu entschädigen. So radelten wir die ganzen letzten Tage gemütliche 160 km. Deswegen sind wir auch wesentlich zeitiger als geplant hier in Teheran angekommen, wo wir uns nun um unsere Weiterreise Gedanken machen müssen. Über die Medien dringen ja nicht unbedingt die besten Meldungen betreffs Afghanistan zu uns. Afghanische Flüchtlinge sehen alles dagegen viel lockerer. Andererseits sind sie aber auch aus dem Land geflohen, sind also auch nicht auf dem aktuellsten Stand! Nur in dem Außenminister die Menschenrechtslage in Afghanistan anprangern und dabei keinerlei offizielle Verbindungen zu den Taliban haben, machen sie auch nichts anderes als sich zu profilieren. ("Wer ohne Fehl, werfe den ersten Stein.")

So weit, so gut, bis zum Nächsten mal

 

Glocke

Hallo, ihr daheim!

Glaubt bitte nie, daß eine Visabeschaffungszentrale etwas anderes beschafft, als sich selbst jede Menge Geld. Glaubt auch nicht, daß das Organisationswesen des deutschen Auswärtigen Amtes irgendwie funktionieren könnte. Und falls euch jemand ein Dolch an den Bauch hält, glaubt auch nicht, daß er dann nicht gewillt ist, ihn einzusetzen. Zumindest letzteren Fehler habe ich nicht begangen. Deshalb war das Blut, was sich auf meinem Gesicht, meinen Sachen und meiner Kamera befand, als er den Dolch endlich wegnahm, auch nicht von mir. Glück gehabt. Auch wenn der Film mit spektakulären Bildern einer verbotenen Selbstgeisselungsprozession nun weg war. Aber der Reihe nach. Weil vor rund 1300 Jahren einige Schiiten ihren damaligen Iman, Hussein, im Kampf gegen eine Übermacht nicht behilflich waren, klagen sie sich heute noch an, schlagen sich auf die Brust oder mit Ketten auf den Rücken und - was es angeblich schon längst nicht mehr im Iran gibt - mit riesigen Messern oder Schwertern den Kopf blutig. In so eine Prozession waren Axel und ich hineingeraten.

Die Prozession im vollem Gange Klar, daß wir die Kameras zückten und anfingen loszuknipsen. Ich immer schön dicht ran. Schließlich sah ich auch andere Iraner mit Kameras. Aber ich war wohl etwas zu dicht dran gewesen. Jedenfalls fühlte sich jemand belästigt, drückte mich mit dem Rücken an eine Wand und setzte sein blutverschmierten Dolch bei mir an. Meine Kamera verlangte er. Das kam natürlich nicht in Frage. Als ich ihm das klar gemacht hatte, besserte sich seine Laune zwar nicht gerade, aber er verlangte nun wenigstens nur noch den Film. Die ganze Zeit sah ich ihm in die Augen. Besonders das rechte hatte es mir angetan. Das war von dem Blut aus seiner vielleicht 5 cm breiten Kopfwunde total verschmiert und hätte unter anderen Umständen sicher ein interessantes Foto ergeben. Aber jetzt erübrigte sich das. Vielleicht, dachte ich, läßt er doch mit sich handeln und spielte auf Zeit, immer in der Hoffnung, daß Axel auftauchen und mir irgendwie helfen würde. Leider verkalkulierte ich mich damit und schaffte es nicht einmal, den Film in meiner Hand auszutauschen. Na ja, Zauberticks sind nun mal aus einer Bühne leichter durchzuführen. Als der Film und der Dolch weg, aber Axel wieder da war, blieb mir nur die Hoffnung, daß Axel vielleicht auch ein paar gute Bilder gemacht hat. Und ich hatte, - welch Zufall - genau den Typen vorher digital fotografiert, der mich kurz darauf so ärgerte. Die anderen beiden eingangs erwähnten Fehler sind der Grund dafür, warum wir jetzt hier, fast im Dreilaendereck, Iran - Afghanistan - Turkmenistan, festhängen. Zwar gibt es hier das Grab des 8. Iman, ein gewaltiges, unglaublich schönes Pilgerzentrum, zu bewundern, aber so ganz allmählich wollen wir doch weiter.

Es wird nämlich warm in der Wüste. Bisher hatten wir tagsüber zwar angenehme 30 Grad, doch dürfte sich das bald ändern. Bis jetzt hat sich der Iran als ausgesprochen schönes, interessantes und gastfreundliches Reiseland erwiesen, was zu unrecht oft eine schlechte Presse bekommt. Rast im Schatten Die Mullahs sind weitaus zugänglicher als in Afghanistan, wo angeblich Gockel und Hühner getrennt gehalten werden müssen und Esel so eine Art Schürtzchen umgebunden bekommen. Alles nur damit Frauen nicht auf unzüchtige Gedanken kommen! Die bösen Frauen! Jeder rechtschaffene Muslim muß doch annehmen, daß sie hinter einem unförmigen schwarzen Tschador ausreichend verborgen sind. Hatte ich auch gedacht. Aber vorhin hat sich so ein junges Ding beim Aufstehen nach vorne gebeugt! Und ich schreibe euch jetzt NICHT, was ich da gesehen habe! Das erinnert mich doch glatt daran, daß mir auf der Reise mitunter auch mal was fehlt. Zum Beispiel ein kaltes Bier!

Wenn ich das erste bekomme, lasse ich es euch wissen!

 

Bis hoffentlich bald

Glocke

Und wieder Ärger. . . 

 

. . . mit der lieben Polizei, dem Freund und Helfer in eigener Sache. Sehr deutlich machte ich dem Bullizist klar, dass er nicht ganz dicht ist, wenn er denkt, dass ich ihm meinen Pass auch noch gebe, wenn er Axels noch nicht wieder rausgegeben hat. Schreien, Stossen - die normale Anrede wie die usbekischen Polizei Touristen anspricht ist nicht unbedingt die feinste Art. Aber irgendwie müssen wir auch eine neue Erfahrung für die gewesen sein. So stur hat sich wohl noch nie jemand gezeigt, wenn es doch nur um etwas Bestechungsgeld ging... Und das Vergehen? "Äh, äh, also, äh, na ja, äh, wieso seid ihr um 22:00 Uhr noch in der Stadt unterwegs?" Aber doch nicht mit uns! So bekloppt sind wir nun auch nicht. Also, wenn jemand von euch nach Buchara kommt und ein Poizist mit der Nummer 07896 im Polizeiausweis möchte Geld von euch, dann grüsst ihn schön von uns. Und sagt ihm, dass wir anschliessend das ganze Geld versoffen haben, was er so gerne von uns gekriegt hätte. Diesmal war der Ärger blanker Willkür zuzuschreiben. An der Grenze dagegen auch unserer Dummheit. Dort hatte Axel DM bei einem Polizisten schwarz getauscht (verboten), da die Bank keine Mark haben wollte und gerade niemand anderes da war. Leider war es unserem in der Wüste ausgetrockneten Hirn nicht gleich aufgefallen, dass wir nur 10 Prozent der "offiziellen Schwarzmarktrate", wie der Polizist sagte, bekamen. Ganze 6km spaeter, mitten in der Wüste, kam mir der Gedanke, übers Ohr gehauen worden zu sein. 90 DM abschreiben? Nie! Dafür hab ich ja Axel mit! Der trampte zurück, stachelte ein Rudel dicker Babuschkas auf, die dort die ganze Zeit rumlungerten, und schon wurde die ganze Grenzstation von wütenden Muttchen in bunten Trachten aufgemischt! In deren Hände möchte ich nicht fallen . . .

 

Selbst dem Polizist half nicht einmal mehr Flucht. Er wurde gestellt und rückte tatsächlich das fehlende Geld raus. Triumphierend kam Axel zurück. Das Bündel Geldscheine war ganz schön dick. Aber noch viel dicker war es gestern, als Axel in einer Bank mal einen grösseren Batzen Geld getauscht hatte. Hat jemand von euch schon mal wie Dagobert Duck in Geld gebadet? Wir haben es gestern gemacht! Aber leider sind Goldmünzen viel wertvoller als die usbekischen Geldscheine... Turkmenistan liegt nun auch schon wieder hinter uns. Wie es da war? Wüste, Wüste und Turkmenbashi. Turkmenbashi (Kuenstlername, der so viel wie "Kopf aller Turkmenen" heisst) war früher in typisch mittelasiatischter Tradition Chef der hiesigen kommunistischen Partei und hat die letzte demokratische Wahl mit 99,9 Prozent überstanden! Oppositionelle sind nach kommunischtischer Tradition entweder in der Irrenanstalt oder im asylgebenden Ausland. Aber das alles hält Turkenbashi natürlich nicht ab, sich ständig überall neue Statuen hinsetzen zu lassen, jede Menge Städte nach ihm zu benennen, einem Meteroriten, der in der Wueste einschlug, seinen Namen zu verpassen oder sämtliche Gelscheine mit seinem Doppelkinn zu verunzieren. Wahrlich, der Kerl hat Selbstwertgefuehl!

 

Dagegen ist Buchara eine richtige Erhohlung, auch wenn mal die Polizei durchdreht. Aber ab morgen werden wir uns wieder dem sowietischen Alltag mit Strassensperren, stinkenden Ladas und Schlaglöchern stellen, in grauen Plattenbaukantienen essen und "Supermärkte" mit Regalen voller 3 verschiedenen Produkte besichtigen. Zum Kaufen gibt es da meist nicht viel... Das gibts eher bei den Muttchen, die mit Kinderwagen voller Marsriegel und Cola am Strassenrand stehen. Zumindest das hat sich geändert, seit der grossen Freiheit.

 

Alles Beste Glocke

Hallo, uns geht es prima!

 

Und es sieht so aus, als wenn es vorerst auch so bleibt. Also schöne Aussichten! Da stören mich auch die paar Bergketten nicht, über die wir in den nächsten Tagen drüberradeln müssen.Tagsüber drückt die Sonne, die Temperaturen lassen uns so dahinschmelzen und ich kann und will nicht glauben, daß es auf den Pässen vor uns noch Schnee gibt. Was ich da so Weißes am Horizont sehe ist also sicherlich nur eine Wolke. Entgegen den Erfahrungen der ersten Tage blieb Usbekistan doch recht ärgerlos, was Polizei anging. Zwar gab es massenhaft Straßensperren, wo wir auch regelmäßig aus dem Verkehr herausgewunken wurden, doch hatten wir es uns zum Ziel gesetzt, uns nie wieder von der Polizei anhalten zu lassen. Und da wir nun mal nicht gerne verlieren, ließen wir die pfeifenden und 'Stoi!' rufenden Polizisten halt stehen. Manche reagierten echt sauer, wenn sie ihre Autorität so untergraben sahen. Doch was soll ich sagen, bei uns hob das jedesmal die Stimmung.

 

Buchara und Samarkand brauche ich wohl nicht zu beschreiben. Sind beides wunderschöne Städte. Aber es gibt auch andere, weniger bekannte. Bei denen scheint die Sovietzeit stehen geblieben zu sein. Ganze Landschaften sind wegen irgendwelchen Bergschätzen umgegraben, gnadenlos verkommene Industrieanlagen blasen gewaltige Mengen Qualm in die Luft, und das hier mal blühende Naherholungsgebiete entstehen sollen (das übliche Versprechen bei solchen Umweltverbrechen) dürfte nicht mal der naivste Optimist noch zu träumen wagen. Während in Aralsk interessante Konferenzen abgehalten werden, wie es nur ein kann, daß der Aralsee weiter austrocknet, wird hier in der Wüste weiterhin lustig mit Wasser gepanscht. Aber in gigantischen Ausmassen. Das hat solche Dimensionen angenommen, daß wir in Usbekistan praktisch gar nicht mehr durch die Wüste geradelt sind! War für uns natürlich ganz praktisch. Da brauchten wir nie lange zu suchen, wenn wir mal in einem schattigen Plätzchen Pause machen wollten.

 

Das Radeln kann so schön sein! Besonders im Ferganabecken genossen wir es. Ein Opi mit Usbekenkappe und langen weißem Bart mochte nicht fotografiert werden. Er nahm uns unser Ansinnen aber so übel, daß er mich durchkitzelte! Ich konnte das ja vielleicht noch so hinnehmen. Polizisten würden in solchen Handlungen sicher wieder separatistische, fundamentalistisch - islamische Tendenzen erkennen und den Opi gewaltsam befrieden. An der Grenze zu Kirigisien kam uns ein absolut genervtes österreichisches Pärchen entgegen. Sie waren zwei Stunden in Kirgisien gewesen und ärgerten sich grenzenlos über den Wucher und die Betrügereien dort. Nie wieder wollten sie dorthin. Aber als ich sie so schimpfen hörte wuchs in mir die Gewißheit, das das Land so richtig schön wird. Wir sind jetzt 3 Tage im Land und mein Gefühl hat mich nicht betrogen. Ob es weiterhin so bleiben wird, werdet ihr beim nächsten mal erfahren.


Alles Beste
Glocke

 

Umwege . . .

 

Diesmal möchte ich euch von einigen Umwegen erzählen. Sogar einem, der uns glatt bis nach Deutschland geführt hat! Aber der Reihe nach. Angefangen hat der erste Umweg genaugenommen mit Stalin, der wahrscheinlich in wodkaseliger Laune einige Ausrutscher hatte, als er vor 80 Jahren auf recht unkonventionelle Art und Weise Grenzen in mittelasiatische Karten einmalte. Mit Rationalität hatte das wohl nichts zu tun. Na, vielleicht hatte er ja wenigstens viel Spaß dabei!

 

Dieser Spaß ist den Leuten hier jedenfalls vergangen. Inzwischen gibt es ja unter den meisten Ländern hier Ärger. Jene Grenzen sind zum Teil vermint, nur weiß niemand, wo genau die Grenzen verlaufen und Stalin kann man auch nicht mehr fragen. Mein Tipp: besser in Grenznähe nicht wandern gehen! Aber auch Radeln ist nicht nur Spaß. Wenn das x-te Flußtal wieder zu Usbekistan gehört, und die Kirgisen, sowie Radfahrer damit geärgert werden, daß sie statt 4 km querdurch nun schnell mal 80 km über Schotterpisten durch die Berge außenrum geschickt werden, dann kann man den Hals schon voll kriegen. Aber wenigstens sahen wir auf diese Weise viele, viele schöne rote Mohnfelder in den Bergen. Den Kuchen bekamen wir allerdings nirgends zu kaufen.

 

Ich hatte mich immer gefragt, warum die Kirgisen solche dicken Filzmützen tragen. Aber als uns in 1 800 m Höhe riesige Hagelkörner auf die Köpfe trommelten, begriff ich den Grund. Mit blanken Händen versuchten wir die Dinger davon abzuhalten uns die Schädel einzuschlagen. Dächer gab es da nicht. Das Gewitter war auch der Grund, warum wir umdrehten. Leute meinten, daß der Paß nun sowieso für etliche Wochen nicht mehr befahrbar ist.

 

Die Alternativroute führte über 3 anstatt einem 3 000 m Paß und war 600 km länger. Das hinderte uns aber natürlich nicht daran unser Gepäck etwas zu vermehren. Axel hielt mich zwar für bekloppt, aber ich hatte mich in so einen Pferdesattel aus Holz verliebt, bekam ihn fast geschenkt und nahm ihn mit. Ständig sprachen mich die Leute darauf an. Aber hätte ich denen wirklich begreiflich machen können, daß ich das Ding eigentlich nur zu Hause auf so eine Art Barhocker befestigen will um darauf genüßlich einen Whisky schlürfen zu können? Also verwies ich auf meinen schon verschlissenen Fahrradsattel und darauf, daß so ein Pferdesattel hier billiger ist.

 

Die Leute in den Bergen luden uns öfters zu Kumis, zu gegorener Kamel- oder Perdestutenmilch in ihre Jurten, solche runden Filzzelte, ein. Woher hätten wir ahnen können, daß der eine dabei Hintergedanken hegte? Verrückt, wie er uns nun einmal einschätzen mußte, schwatzte er Axel seine Zweitjurte auf. Leider konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr protestieren. Der Kumis war mit Wodka gestreckt.... Trotzdem hatte am anderen Morgen Axel den größeren Kater. Wie transportiert man 400 kg Zusatzgepäck? Dabei ging es nicht um die paar hundert km bis Bischkek, der Hauptstadt Kirgisiens. Axel wollte ja nicht auswandern. Also mußte das gute Teil nach Deutschland!

 

Wie auch immer. Axel hatte echt Streß damit und mußte sogar das dortige Kulturministeriums strammstehen lassen um das Ding herzukriegen. Aber er hat's geschafft!!! Und zu Wolfstock, der 20 jährigen Geburtstagsfeier von Jack Wolfskin war sie das erste mal zu sehen! Wir hatten ganz schön Streß, das Ding aufzubauen. Hatten ja so was noch nie gemacht. Und wirklich helfen konnte uns auch kaum jemand. Zum Glück hatten wir aber ein paar Fotos dabei, damit wir wußten, wie das Ding am Ende ungefähr aussehen sollte. Machte mächtig Spaß da rumzupuzzeln, auch wenn wir am Anfang wie Radfahrer ins Uhrwerk starrten. Aber das erste mal ist halt immer das schwerste.

 

Dennoch war's eine Superfete und ich bereue nicht, unsere Tour nach China extra dafür kurz unterbrochen zu haben. Wer auch bei Wolfstock war wird's verstehen... Das nächste Mail gibt's dann hoffentlich aus China. Wir haben noch ein bißchen Bammel wegen der Grenze. Aber bis jetzt haben wir ja auch alles geschafft. Und wer ne Jurte nach Deutschland kriegt, sollte doch wohl auch nach China reinkommen. . .

 

Alles Beste
Glocke

10. Lebenszeichen

 

Ich sitze gerade in Hotan, so einem dreckigen Oasenkaff in der Taklamakanwüste und habe doch tatsächlich einen Internetrechner auftreiben können. Ja, wir haben’s geschafft und sind in China!

 

Aber mal der Reihe nach. Habt ihr schon mal Hammelaugen gegessen? Wir jetzt schon. Schmecken mächtig nach Hammel. Noch besser ist aber die Zunge finde ich. Gewöhnungsbedürftig mag der Hammelkopf auf dem Teller aussehen, der einen noch etwas schwermütig anschaut, während man dabei ist seine Augen herauszuschneiden. Aber wir sind ja auf dem Weg nach China und da darf man sowieso nicht sehr feinfühlig sein, was das Essen angeht.

 

Die kirgisisch-chinesische Grenze erwies sich als doch nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Zwar darf man da nicht mit dem Rad rüber, aber dafür hat sich ein Schleppersystem etabliert, was Räder und Gepäck in der Regel gut rüberbekommt. Allerdings muß man dann sein Gepäck (inklusive der Räder) für einige Kilometer auf ein Auto verladen. Der Vorteil ist der, daß man für den Zollcheck auch etliches Gepäck einfach im Auto liegen lassen kann. Das erspart Arger, wenn man z.B. seine Filme nicht durchleuchten lassen will . . . Kashgar, die berühmte Stadt am Anfang der Taklamakan, empfing uns ungewöhnlich gutmütig. So ein richtig gemütlicher Ort zum wohlfühlen. Als wenn die Stadt schon seit Jahrtausenden nur von Rucksacktouristen lebt. Es gab sogar Eierkuchen, was Axel natürlich besonders freute. Mich würde ja mal interessieren, ob Marco Polo hier auch genüßlich Pizza gegessen hat. Heute zumindest ist das kein Problem . . .

 

Der Reiseführer behauptete, daß in Kashgar jeder Durchfall bekommt. Axel machte sich drüber lustig und hing prompt fest auf dem Klo. Ich dagegen habe keinen!!! Durchfall dort bekommen. Also glaubt nicht immer alles, was in Reiseführern steht! Ich hab den Durchfall schon aus Kirgistan mitgebracht. Jedenfalls dachte ich, daß wir gut ausgerüstet seien. Eigentlich konnte nichts mehr passieren. Wasser nahmen wir nur immer so viel mit, daß wir sicher die nächste Oase erreichen konnten. Womit ich nicht gerechnet hatte, das waren die Fahrrad- oder besser Lenkerproduzenten. "MO DO LO COMPONENTI SPECIALI" und "Yuma Traveller" in Verbindung mit "HIGH TECH" usw., alles Aufschriften auf meinem Schweineschwanzkringellenker, klangen eigentlich beruhigend. So als wenn die Firma weiß, daß sie ein durchaus nicht ganz unwichtiges Fahrradteil produziert. Aber weit gefehlt.

 

Genau als wir so richtig im Nirgendwo angekommen waren, also dort wo Sandünen die Piste zuwehen und Autos mit kochendem Kühler liegenbleiben, brach mir das sicherlich teure Stück! Einfach so. Als wenn es die Hitze nicht mehr mitmachen wollte! Jetzt war guter(s) Rat teuer. Wer sich hier auf vorbeikommende Autos verläßt bleibt oft verlassen. Die Firma verfluchend nahm ich mein Fotostativ und schiente damit den Lenker. So konnte ich gerade so wieder radeln. Bremsen und Schaltung blieben aber solange unerreichbar und wackeln tat dieses Gebilde auch reichlich. Später, als ich in einem ausgetrockneten Flusstal einen handlichen Knüppel fand, nahm ich ihn zum schienen. Damit erreiche ich Hotan. Ja, und jetzt sitze ich am Rechner und schreibe euch davon.

 

Aber ihr seid nicht die einzigen, die das zu lesen bekommen. Hinter mir stehen dichtgedrängt ca. 15 Chinesen und vesuchen mitzulesen. Es könnte ja sein, so hoffen sie, daß ich doch mal was schreibe, was sie verstehen. Aber auch wenn nicht. Dastehen und gucken, das ist hier ein echter Volkssport. Auf jeden Fall weiß ich eines: in China ist man nie allein (außer in der Wüste, wenn man Hilfe braucht)!

 

So weit alles Beste
Bis zum nächsten Mail

Glocke

11. Lebenszeichen

 

Wir sitzen gerade in Lanzhou, das ist irgend so eine riesige Industriestadt am Gelben Fluß und ich muß jetzt versuchen, die letzten Wochen in Worte zu fassen. Ist gar nicht so einfach, bei all dem was wir so erlebt haben. Fange ich doch gleich mal in der Taklamakan an, der "Wüste ohne Wiederkehr". Diesmal werden wir garantiert nicht den Fehler machen und wiederkehren. Auf alle Fälle nicht mit dem Fahrrad.

 

Vor 6 Jahren war die nördliche Seidenstraße im Winter schon die Hölle (bis minus 30 Grad!) und es wurde diesmal nicht viel besser. Nur andersherum mit 47 Grad im Schatten auf der südlichen Seidenstraße. Nur, da wo es außer Sanddünen und Kadavern verendeter Viecher nicht viel mehr gibt, wo findet man da Schatten?!? Aber nicht daß ihr denkt, das Radeln in der Wüste bringt keine Abwechslung! Da von gibt es mehr als genug. So hätte ich nie gedacht, daß mich 100 Kilometerchen umhauen können. Vor allem nicht, wenn ich noch ganze 6 Liter Wasser dabei habe! Ist aber so. Zumindest werde ich nicht den Fehler machen und 100 km unteschätzen.

 

Überschätzt haben wir (wieder einmal) den Wahrheitsgehalt diverser Reiseführer, denn da wo sie von ausgebauter Asphaltstraße schreiben, gerieten wir in die härteste Sandpiste unserer Tour. Autos kamen da nicht mehr vorbei. Wahrscheinlich hatte sie ein Sandsturm abgeschreckt, der uns gegen Mitternacht überraschte, als wir genüßlich unserem wohlverdienten Schlaf nachgehen wollten. Und nun auf einmal lagen wir im Sandgebläse! Die Sicht gegen den Wind tendierte gegen Null. Und an Schlafen war auch nicht mehr zu denken. Auf jeden Fall können wir nun Mitreden, wenn es um den Kara Bura, den "Schwarzen Sandsturm" in der Taklamakan geht. Und was für Sanddünen so ein einziger Sturm auf die eh schon schlechte Piste auftürmen kann, muß man auch erst mal gesehen haben um es zu glauben! Mit diesmal etwas mehr Wasserreserven erreichten wir endlich die nächste Ortschaft, die es aber leider außer auf unseren 3 verschiedenen Landkarten nirgendwo anders gab!

 

Was tun? Weiterradeln, bzw. durch den Sand schieben. Ich sage euch, weitere 60 km Sandpiste können verdammt lang sein! Aber alles noch besser als gar keine Piste. Als wir uns in einer Oase halbwegs erholt hatten, ging nun kein Weg mehr weiter in die richtige Richtung. Ein Riesenumweg über 3000 m hohe Pässe brachte uns schließlich nach Dunhuang, der Stadt, wo die Taklamakan aufhört und die Wüste Gobi wieder anfängt. Riesige Sanddünen, Buddhahöhlen und gekochte Eselschwänze auf dem Markt waren die Highlight's. Wer jetzt aber an die Schwänze mit den langen Haaren denkt, weiß nicht, was Chinesen so mögen! Ich rede von den Dingern mit Vorhaut, die wie schwarzes Leder im Sonnenuntergang glänzten. Mit dem Weiß des Tellers waren die Farben des Jingjang wieder komplett. Lieber hätte ich noch den Hund gegessen, der uns später in einer moslemischen (!!!) Gaststätte angeboten wurde.

 

Die Gobi war im Vergleich zur Taklamakan harmlos (Jedenfalls bis jetzt, wir haben noch 800 km quer durch, vor uns.). Und Abwechslung gab es auch. Diesmal schönere. Die Große Mauer, daoistische Tempel und so eine Art Kleintibet. So richtig mit Yaks, Buttertee und Tsampa, oder wie man die Pampe nennt. Wieder Buddhahoehlen und dann noch das richtige Tibet (was jedenfalls Tibet war, bevor sich Mao im Landkartenmalen hervorgetan hat) rundeten unsere bisherige Reise ab. Auch hier kamen wir wieder bei Mönchen im Kloster unter. Ich war erstaunt, wie offen manche Mönche gegen China wetterten. Zumindest da können wir nun wieder mitmachen. Jedenfalls was die Verkaufspraktiken angeht, die (nicht alle, aber gar zu viele) Chinesen an den Tag legen, wenn ein langnäsiger, dafür aber kulturloser Barbar vor ihnen steht. Zigfache Preisüberteuerungen sind ja o.k.., wenn man sie runterhandeln kann. Uns passierte es jedoch schon einige mal, daß nach dem Runterhandeln wieder der ursprünglich geforderte Preis verlangt wurde. Und noch schlimmer. Wenn wir dann entrüstet von dem Geschäft Abstand nehmen wollten, bekamen wir schon mehrfach nur mit viel Geschrei und bösem Geschubse unser Geld wieder!

 

Aber China scheint trotzdem auf dem Weg zur Besserung zu sein. Immerhin scheint jetzt das neue Schönheitsideal runde Augen und lange Nasen zu haben. Zumindest im Fernsehen sehen die Schönheiten so aus. Das beruhigt uns, denn da liegen wir doch echt voll im Trend!!!

 

So weit bis zum nächsten (und wohl dann letzten aber nicht allerletzten) Lebenszeichen.

Glocke

12. Lebenszeichen

 

Hallo Leute! Wir haben nun auch noch den Rest der Strecke hinter uns. Axel hat sich allerdings doch tatsächlich um die letzten 400 km gedrückt! Zwar nicht aus Faulheit, aber dazu komme ich später noch...

Von Lanzhou ging es erst mal nach Norden zum Gelben Fluß. Die "Wiege der chinesischen Zivilisation" ist dank überall abgezweigten Flußwassers nur noch ein winziges, allmählich versiegendes kleines Flüßchen. Jeder zweigt sich soviel ab, wie er gerade denkt und interessiert sich ansonsten relativ wenig für die am Unterlauf lebenden Leute. Wobei das Wort "Unterlauf" natürlich schon die blanke Ironie ist. Wasser fließt dort jedenfalls keines mehr.

 

Aber hier mußten wir noch über Brücken, wenn wir mal wieder die Flußseite wechseln wollten, um vielleicht wieder mal eine hübsche Pagode irgendwo anzuschauen. Doch bald verließen wir den Flußlauf wieder und bogen ab in die Innere Mongolei, einer Provinz Chinas, die ähnlich Tibet von ihrer Unabhängigkeit befreit wurde. So sehen es jedenfalls viele der dort lebenden Mongolen. Allerdings leben zwischenzeitlich dort längst viel mehr Chinesen als Mongolen. Dschinges Kahn würde sich in seinem Grab umdrehen, wenn er das mitkriegen würde. Aber auch so war seine "letzte Ruhestätte" alles andere als ein ruhiges Plätzchen. Immer wieder wurde sein Grab verlegt. So besuchte er posthum die Provinzen Quinghai und Gansu bevor er jetzt hier in der Inneren Mongolei mal ein paar ruhige Jahre hatte. Wobei ruhig natürlich übertrieben ist. Chinesische Touristenscharen oder mongolische Pilger, die ihn jetzt als so eine Art Gott anbeten, fallen täglich über ihn her. So wie er früher über andere hergefallen ist... Strafe kommt manchmal spät.

 

Als wir dort bei seinem Grab ankamen, hatte Axel schon seit etlichen Tagen hohes Fieber und geschwollene Lymphknoten, was auch Antibiotika nicht verhindern konnte. Und nun wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Das Fieber konnte nur durch ständige fiebersenkende Mittel unter 40 ° gehalten werden und eine Besserung war einfach nicht in Sicht. Deswegen erreichten wir die nächste größere Stadt auch nur unter aller größten Schwierigkeiten. Und dort ging es sofort ab in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses!

 

Nachdem er allerdings dort über eine halbe Stunde in einem zugigen, verqualmten Durchgang auf einer Trage gelegen hatte, ohne daß sich jemand um ihn gekümmert hätte, gab es nur noch die Flucht. Zwar gab es einige Weißkittel, die diese vereiteln wollten, doch nicht etwa weil sie sich um Axel auch wirklich kümmern wollten, sondern weil es doch eine Abwechslung bedeutet, mal einen Touristen hier liegen zu haben. Doch Axel, der inzwischen nicht mal mehr selbst gehen konnte, beschloß, lieber in einem netten Hotel zu sterben als hier, wo 'zig Leute durcheinander schrien, sich aber niemand für seine Krankheit interessierte.

 

I m Hotel angekommen hatte jedoch der Hotelmanager Probleme bei dem Gedanken, daß Axel bei ihm sterben könnte. Deswegen versuchte er uns unbedingt zu überreden, zurück ins Krankenhaus zu gehen. Doch da war nichts zu machen. Schließlich schaltete der Manager den Provinzchef für Tourismus und den für Gesundheit mit ein und schaffte es letztendlich zu erwirken, daß Axel eine Sonderbehandlung bekommt, die sonst nur Parteibonzen vorbehalten ist. Das klang ein wenig besser. Also ließen wir uns darauf ein und Axel wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, was in seinem Zustand an die Vorkriegszeit erinnerte. Im Nachbarzimmer lag ein Mann mit Lungenkrebs, der ständig vor sich hin schrie. Pausenlos. Ab und zu schaute mal eine Krankenschwester bei ihm rein, aber nur um ihn anzuschreien, daß er gefälligst mal ruhig sein sollte. Bei Axel schauten sie auch ab und an rein, hängten ihn an einen Tropf, was ihm Linderung brachte, und spritzten Penizillin, was überhaupt nichts brachte. Ärzte ließen sich so gut wie nie blicken, und wenn, dann interessierten sie sich auch nicht dafür wie es Axel ging und was er hatte. Die ganzen 3 Tage dort wurde er nicht ein einziges mal gefragt wie es ihm geht oder was ihm fehlt! Immerhin blieb das Fieber unter 40 °.

 

Mit Hilfe von Freunden in Deutschland organisierte ich einen Heimtransport. Hier konnte Axel nicht auf Heilung hoffen! Doch plötzlich ergab sich die Möglichkeit ihn in ein Krankenhaus nach Peking zu bringen, was (wie ich mich bei verschiedensten Leuten erkundigte) einen hervorragenden Ruf besaß. Und dort wurde ihm gesagt, daß er wohl bald gestorben wäre, wenn er in Datong geblieben wäre. Er war total falsch behandelt worden. Doch nun ging es schlagartig aufwärts mit ihm.

 

Also radelte ich die letzte Strecke alleine. Ein wunderschönes, an ein Schwalbennest erinnerndes, jedenfalls genau so an eine Felswand "geklebtes" Kloster, der Heng Shan, ein heiliger Berg der Daoisten, wunderschöne, grüne Berglandschaften, kleine Straßen, abgelegene Dörfer - ich war traurig, daß Axel all dies nicht miterleben konnte. Er hatte sich gerade auf diese Gegend so gefreut! Aber das Radeln war anstrengend und Axel, den ich wann immer es ging anrief, war noch viel zu geschwächt. Doch ansonsten ging es ihm gut, wie er sagt.

 

Dann kam ich nach Peking, oder Beijing, was eigentlich korrekter ist. Eine riesige, absolut westliche Stadt! Ein richtiger Kulturschock für mich! Unglaublich, daß diese Stadt in dem selben China stand, durch welches ich die letzten Monate geradelt bin. Der Gegensatz Stadt - Land ist gewaltig. Aber auch die Preise. Ich traf Axel, der schon wieder fast auf dem Damm war. Gemeinsam schauten wir uns ein paar touristische Schönheiten in Peking und Umgebung an. Doch Städte liegen uns einfach nicht so sehr. Und westliche Städte erst recht nicht. Vom eigentlichen China bekam man hier nichts mit. Dafür war Axel hier aber kuriert worden. Von was, das wußten allerdings nicht mal die Ärzte genau. Irgendeine Vireninfektion.

 

Es war eigenartig. Nun war die Tour zu Ende. So vieles hatten wir gemeinsam durchgestanden und erlebt. Und so kurz vor dem Ziel mußte Axel aufgeben! Sicher, ich hatte den Rest alleine geradelt. Doch so richtig konnte ich mich nicht darüber freuen. Ich war traurig, daß Axel nicht mit hatte dabei sein können. Doch der muß erst mal wieder so richtig gesund werden. Wir standen nördlich von Peking auf der Großen Mauer. Axel ging schon alleine mit zittrigen Knien den Berg herunter. Er mußte viele Pausen machen. Ich würde ihn schnell einholen, wenn ich mich an dem Panorama satt gesehen hatte. Wann würden wir wieder hierher kommen? Einen Teil der Reise hatten wir nun hinter uns. Doch wie Marco Polo wollen auch wir mit einem Boot, einer chinesischen Dschunke, nach Hause segeln. Doch bis dahin werden noch ein oder zwei Jahre vergehen.

 

Bis dahin wünsche ich euch allen
alles Beste!

Glocke

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